Episoden aus dem NVA-Alltag
Hier könnt Ihr lustige Geschichten aus Euren Erlebnissen veröffentlichen. Schickt sie mir per Mail und ich setze sie hier rein.
Ich mach mal den Anfang...

Ein großes Erlebnis für jeden Vorgesetzten waren die Beförderungen. Eine, bei mir besonders in Erinnerung geblieben ist, möchte ich mal schildern:
Also, ich bekam einen weiteren Stern auf die Schultern. Das geschah bekanntermaßen mit einem Appell anläßlich des Tages der NVA oder zum Jahrestag der DDR. Am Nachmittag wurde dann "gefeiert".
In der RA-7 in Zeithain wurde dazu die Ausbildungsbaracke des Ausbildungsgeländes genutzt. Die frisch Beförderten standen dann im Mittelpunkt. Folgende Zeremonie wurde dann protokollhaft abgearbeitet:
Die beiden neuen Sterne mussten wieder aus den Schulterstücken entfernt werden. Der erste von beiden wurde in ein Glas getan, in ein Bierglas (0,25 l), das randvoll mit Korn gefüllt war. Voll war das Glas dann, wenn der eingeworfene Stern selbiges zum Überlaufen brachte. Das Glas musste dann in einem Zug ausgetrunken und beim letzten Schluck der Stern zwischen die Zähne genommen werden. Das war nicht ganz einfach und ein heimliches Training im Vorfeld zahlte sich dann aus. Mit dem Stern zwischen Zähnen hatte der Beförderte dann dreimal "Hurra" zu rufen. Klingt einfach, aber alle Anwesenden hatten das Recht, die Prozedur wiederholen zu lassen, wenn nur einer der Meinung war, es wäre nicht laut genug gewesen...
Also brüllt man, so laut man kann. Der Vorgesetzte, der am längsten Deinen neuen Dienstgrad hat, hatte als Dein Mentor den Stern dann in das erste Schulterstück zu setzen und mit dem Rauch einer guten Zigarre anzurauchen. Dann folgte der nächste Schritt. Man musste eine Rede halten. Da der Alkohol noch wenig Zeit hatte, sich im Hirn auszubreiten, sprach ich über den sozialistischen Wettbewerb, war damals so üblich. Erstaunlicherweise kam das beim Abteilungskommandeur gar nicht so gut an. Er drohte damit, mir den Dienstgrad wieder weg zu nehmen, wenn meine zweite Rede wieder so ein "Müll" wird.
Nun hatte ich Gelegenheit, etwas für mein weiteres Überleben zu tun. Ich machte es wie die meisten, ging vor die Tür, etwas abseits, steckte mir den Finger in den Hals und naja, warum man sich eben einen Finger in den Hals steckt.
Wieder drin, wurde ordentlich gegessen, es gab Soljanka und Wildgoulasch, unser Koch war sehr gut. Diese Taktik stärkte die Vermutung, die gleiche Prozedur mit dem zweitem Stern auch noch zu überstehen. Man ließ aber eine ziemliche Zeit bis zum zweiten Bierglas voll Korn (siehe oben) verstreichen, das war hinterhältig, aber die anderen wussten warum.
Nachdem der zweite Stern angebracht und angeraucht, wieder ein tierisches dreimaliges "Hurra" gebrüllt wurde, kam der Zeitpunkt für die zweite Rede. Da es offensichtlich etwas Lustigeres sein sollte, entschied ich mich, eine Episode zu erzählen, die ein halbes Jahr vorher dafür gesorgt hat, dass ich nicht an der halbjährlichen Abteilungsübung mit scharfem Start teilnehmen konnte. Wenn der Zugführer drei Tage ausfällt, denken die Vorgesetzten nicht gerade an die nächste Belobigung, anders gesagt, die waren stinksauer, von Sabotage war die Rede. Das kam so:
Die Einheit war auf dem Park und führte die Wartung der Technik durch. Dazu zählte auch das Richten der Handhaben, das sind 50 - 60 cm lange Verlängerungen, die benutzt wurden, um die Startrampen TR manuell vor dem Start aufzubocken. Mein damaliger Kumpel war also damit beschäftigt, mit einem 5-Pfünder (ein ziemlich großer Vorschlaghammer) so eine Handhabe auf einem Amboss zu richten. Dabei trafen sich unsere Blicke, die dann gemeinsam die Ambossfläche fokussierten. Er schob die Handhabe weiter zur Mitte und ich stellte meinen rechten Fuß daneben und stützte meinen Oberkörper aufs Knie.
Wir beiden spürten irgendwie, dass etwas in der Luft lag. Er holte also aus, der Arm war nach oben fast senkrecht gestreckt und ließ ihn dann in voller Wucht nach unten sausen. Dann trat der Hallenlärm plötzlich in den Hintergrund und ich hatte das Gefühl, dass es zeitnah wesentlich heller wurde. Er hatte meinen Fuß vollflächig getroffen. Wochen später erfuhr ich, dass er voll der Meinung war, ich würde den Fuß rechtzeitig zurück ziehen, ich verschätzte mich aber in Annahme, er würde daneben einschlagen. Wir lagen beide falsch.
Ich "ging" dann Richtung Med-Punkt, wo ich stammelte, mir sei ein Hammer auf den Fuß gefallen, war er ja auch irgendwie...Man fuhr mich dann nach Riesa ins Krankenhaus zum Röntgen, wo ich natürlich den Stiefel ausziehen musste, was danach nicht mehr rückgängig zu machen war. Die frohe Botschaft des Arztes war anschließend, dass nichts gebrochen sei, sondern "nur zerschmettert und nur aus reiner Neugier wollte er wissen, wie man so etwas schafft. Nunja, die Abteilungsübung war gelaufen.
Diese Geschichte hielt ich als zweite Rede für würdig und humorvoll genug, ohne zu ahnen, dass ich damit dem anwesenden Abteilungsarzt die Farbe aus dem Gesicht trieb, denn er hatte mich damals gedeckt. Seine Versuche, mich unter dem Tisch mit seinen Füßen irgendwie auf ein anderes Thema zu lenken, bemerkte ich da nicht. Als mir der blasse Doc auffiel, spürte ich auch die beunruhigende Stille im Raum, die mein inzwischen doch etwas alkoholisierte Gehirn die Frage aufgab, ob es besonders gut war, diese Geschichte auf meiner Beförderung zu erzählen. Aber nach wenigen Sekunden löste sich die Spannung von selbst, als unser Abteilungskommandeur vor Lachen nahezu vom Stuhl fiel. Diese Rede sollen sich künftige Beförderte zum Vorbild nehmen, sagte er noch, bevor ich die Möglichkeit bekam, mich nach draußen zu verkrümeln und wieder den Finger zu benutzen. Diese grobschlächtige Art, überschüssigen Alkohol los zu werden, ist zwar nicht sehr effektiv, von der Rückfahrt aus dem Ausbildungsgelände habe ich nicht viel mitbekommen, auf der wir unsere Uniformen gemeinschaftlich in Streifen geschnitten haben sollen, aber ich war am nächsten Tag nicht gänzlich tot. Da mussten wir alle übrigens neu eingekleidet werden und es gab Stimmen, dass wir das bezahlen sollen, von denen, die nicht mit waren.
Das muss 1976 gewesen sein RA-7 Zeithain.
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